Das Camp ist leer

Wir haben kaum für möglich gehalten, dass dieser Tag tatsächlich kommt. Gestern sind nach 10 Monaten die letzten 161 Personen aus Camp Katsikas ausgezogen. Seit März haben die Menschen zunächst in Zelten und dann in Containern auf dem Feld eines ehemaligen Militärflughafens in Nordgriechenland gelebt, in den letzten Wochen bei Minusgraden. „Life stopped when we entered Camp Katsikas“ – „Das Leben ist stehen geblieben, als wir ins Camp von Katsikas einzogen“ schrieben sie auf einem selbsterrichteten Mahnmal. Nachdem sich fast ein Jahr lang nichts bewegt hat, ging in den letzten Tagen plötzlich alles ganz schnell: der griechische Minister für Migration verkündete im Fernsehen, dass das Camp bis zum Ende der Woche geräumt werden müsse. Innerhalb weniger Tage mussten große und kleine Organisationen Hotels ausfindig machen, Räume zuteilen, beim Packen unterstützen und den Umzug organisieren.

Donnerstag, 29.12.2017, 16 Uhr: Der Moment, in dem der letzte Bus das Camp verlässt, ist schwer zu beschreiben. Die Menschen werden für die nächsten Monate in Hotels der nahe gelegenen Stadt Ioannina untergebracht. Hier warten sie auf die nächsten Entscheidungen in ihren Asylverfahren. Im Moment der Abfahrt liegt Aufregung in Luft, Euphorie, aber auch Unsicherheit und Abschied. Als die Menschen im März hier ankamen, verband sie nichts. Bis auf die Tatsache, dass sie auf ihrer Flucht zur selben Zeit am selben Ort gestrandet waren. Heute sprechen sie von sich als „Community of Camp Katsikas“ – der „Gemeinschaft von Camp Katsikas“. Die Herausforderungen, denen sie gemeinsam die Stirn bieten mussten, haben sie zusammengeschweißt. Auch mit uns und anderen Unterstützenden. Uns verbindet nun ein gemeinsames Kapitel innerhalb der Geschichte ihrer Flucht.

Aber dieses Kapitel ist nicht das Ende. Weder für die Geflüchteten noch für uns. Der Grund, warum das Camp Hals über Kopf geräumt wurde, ist die Ankunft neuer Menschen. Von 400 Personen ist die Rede, offizielle Angaben zu der genauen Zahl und dem Zeitpunkt ihrer Ankunft gibt es nicht. Wir können nicht fassen, dass nach einem Jahr Camp Katsikas, in dem immer wieder bewiesen wurde, dass dies kein Ort ist um Menschen würdig unterzubringen, die nächste Generation diesen Bedingungen ausgesetzt werden soll.

Nachdem wir in alter Soup & Socks–Manier gestern Abend die Menschen im Hotel mit einer köstlichen Mahlzeit versorgt und den nächsten Schritt in ihrer Reise gefeiert haben, halten wir uns heute tagsüber in dem verlassenen Camp auf. Ohne die Stimmen, Geräusche, Gesichter der Personen, die hier in den letzten Monaten gelebt haben, wirken die Zelt- und Containerreihen noch unwirklicher als zuvor. Wir stehen zwischen den Ruinen ihrer Versuche, sich an diesem abweisenden Ort zu Hause zu fühlen.

Für eine Atempause bleibt kaum Zeit – die neue Generation Katsikas kann jeden Tag eintreffen. Der Countdown läuft: die Werkstätten unseres Projekts müssen neu organisiert und unser Konzept angepasst werden, um mit frischem Geist und frischer Motivation im neuen Jahr wieder Alles zu geben.

Auch ihr, die ihr von zu Hause die Geschehnisse vor Ort verfolgt und unterstützt habt, wart ein Teil dieses Kapitels. Fortsetzung folgt. Wir sehen uns im nächsten Jahr!

 

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