Ein kritischer Blick auf unsere Arbeit

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Wir befinden uns bei unseren Einsätzen in einem Dilemma. Denn im Grunde müssen wir mit unserer Arbeit innerhalb einer improvisierten Lösung ansetzen, die weder wir noch die Menschen im Camp so wollen. Das eigentliche Ziel sollte nicht die Verbesserung der Lebensqualität in den Camps sein, sondern dass Schutzsuchende die Grenzen passieren dürfen und menschenwürdiger untergebracht werden!

Wir sind davon überzeugt, dass eine Landesgrenze keine Grenze für die Suche nach Sicherheit und würdigen Lebensbedingungen darstellen darf.

Innerhalb dieser Übergangslösung nachhaltig zu sein, und nicht einfach nur Trostpflaster auf Symptome zu kleben (zB. Holzböden in den Zelten zu verlegen oder Suppe auszugeben), sondern Strukturen aufzubauen, die eine langfristige Verbesserung herbeiführen, ist eine Herausforderung. Und selbst hier stellt sich die Frage, ob das der richtige Ansatz ist. Wieviel müssen die Menschen in den Camps ertragen, bevor sie endlich gehört werden? Und welche Rolle spielen Unterstützer*innen in diesem Prozess? Soll man in kritischen Situationen, beispielsweise bei einem Sitzstreik, deeskalierend auf die Situation einwirken oder eben gerade die Eskalation zulassen?

Bei all unseren Aktivitäten vor Ort und in Deutschland wollen wir ein Zeichen der Solidarität setzen. Solidarität bedeutet für uns, uns über das Unrecht, das anderen zustößt, genauso zu empören, als würde es uns selbst betreffen. Und es bedeutet, uns gemeinsam mit den Betroffenen dagegen einzusetzen. Anders als das Handeln aus Mitleid stellt Solidarität ein gewisses Maß an Augenhöhe her: wir betrachten die Menschen nicht als Objekte, denen man „helfen“ muss, von oben herab, „weil es ihnen so schlecht geht und uns so gut und sie uns Leid tun“. Unser Slogan lautet „We cook WITH people in need“ – gemeinsam mit den Menschen vor Ort Teil einer Lösung sein.

Aber ist das überhaupt machbar? Kann wirkliche Augenhöhe in diesem Kontext überhaupt entstehen, zwischen denen, die über Mittel verfügen und denen, die es nicht tun? Zwischen denen, die sich frei bewegen dürfen, und denen, die es nicht dürfen? Welche Rolle nehmen wir ein und wie gehen wir damit um, dass wir in manchen Momenten, beispielsweise bei der Essensausgabe, diejenigen sind, die weitere Regeln aufstellen, in diesem ohnehin fremdbestimmten Alltag der Menschen? Um diese und andere kritische Fragen geht es auch in diesem Artikel: „Keep quiet and eat soup“.

Wir versuchen in jedem Moment, wie stressig er auch sein mag, jede Person, die mit uns kocht, die mit uns arbeitet oder sich in der Schlange der Essensausgabe einreiht, als ein Individuum mit einer eigenen Geschichte zu sehen, mit einer unantastbaren Würde und mit einem eigenen Willen, den es zu respektieren gilt.  

Genauso wichtig wie die konkrete Unterstützung vor Ort ist es für uns, andere über die verheerenden Zustände zu informieren. Es darf uns nicht darum gehen, zu beschwichtigen und Suppe zu verteilen! Das müssen wir uns immer wieder selbst sagen und das sagen wir auch euch. Deshalb: INFORMIERT EUCH, DISKUTIERT, EMPÖRT EUCH, WERDET SELBST AKTIV UND GESTALTET!

 

 

2 thoughts on “Ein kritischer Blick auf unsere Arbeit

  • Danke für eure Reflexion. Ja, im Dilemma gibt es keine besten Lösungen mehr auf den ersten Blick – nur noch die am besten qualifizierte Lösung nach der Ethik der Werte an die die jeweils Beteiligten am meisten glauben. Und es endet nicht nach den Grenzen. Wenn ich die „angekommenen“ Flüchtlinge hier erlebe, dann geht das Dilemma weiter. Warten, Essen, ein wneig Konsum, ein wenig Fahräder und Kleidung herrichten, Lagerleben organisieren … erst mal alles besser als Krieg. Wenn ich an meine „Luxusausreise“ aus der ddr denke und die wenigen Tage im Auffanglager Marienfelde, dann kann ich nur erahnen, dass ein Lagerkoller Psyche und Person abstumpft und successive betäubt und entwertet. Die Lösung werden wir wieder erst nach 50-70 Jahren kennen (ich nicht merh:-). Zwei Richtungen scheinen mir wahrscheinlich. Entweder setzt sich der Rückfall im Festhalten an der Vorstellung homogener Nationalstaten durch, Bündnisse wie EU UN u.s.w. verleiren an Wirksamkeit und Kriege werden die dominierende Krisenbearbeitung. Oder es gibt weiter die gemäßigt evolutionäre Lösung mit Gewaltenteilung aber entlang wirtschaftlicher Machtgefälle – mit Gewinnern und Verlierern innerhalb multikultureller System. Wer den langen Weg eines multikulturellen Umbaus wählt sollte auf alle Fälle täglich das innere kolonialistische missionarische Prinzip reflektieren. Organisationen, wie die eure, bleiben weiter der authentischste Weg im Dilemma. Wege, wie sie Rupert Neudeck immer gegangen ist werden von allen Seiten (ausser vielleicht dem neuen Barbarismus) mit getragen. Bets qualifizierte Insellösungen im Dilemma. Macht weiter So mit Hand, Herz und Hirn! Ronald

  • Nicht zu helfen und die Zustände bis zur Unerträglichkeit ausufern zu lassen würde bedeuten, die Schutzsuchenden zu instrumentalisieren, sie zu Objekten der eigenen – in diesem Falle: gesellschaftspolitischen – Zielsetzung zu machen. Das lernen Politiker und werden deshalb den „normalen“ Menschen mit der Zeit so fremd. Not zu lindern, auch auf die „Gefahr“ hin, dass dann die Notlage ja gemildert und rasches Handeln der politisch Verantwortlichen nicht mehr sooo notwendig erscheint, ist ein Gebot der Menschlichkeit und auch in allen großen Religionen als moralisch/ethischer Auftrag festgeschrieben ! In Not zu helfen kann nie ein wirkliches Dilemma sein, wenn die Alternative nur „nicht-zu-helfen“ wäre ! Ihr macht in der jetzigen Situation das Richtige – meinen uneingeschränkten Respekt dafür….

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